Da der letzte Blogeintrag etwas verspätet hochgeladen wurde, sieht es vielleicht so aus, als wäre ich permanent in Jos. Aber dem ist nicht so. Zwischen meinen beiden nach Jos lagen zwei Wochen. Davon eine Woche Urlaub in Deutschland, wo ich der Hochzeit des deutsch-spanischen Dancehallpäarchen Nummer Uno beiwohnte und natürlich kostbare Zeit mit Herzbube und Herzdame verbrachte.
Zurück in Nigeria ging es beinahe direkt vom Flughafen wieder nach Jos, schließlich muss ich als Projektkoordinator dort häufig Präsenz zeigen. Diesmal ging es zwar nicht ins “Feld”, doch glücklicherweise müsste ich auch nicht im Büro sitzen, sondern konnte an verschiedenen Programmen teilnehmen und so wieder ein bisschen mehr über Nigerias (besser gesagt Plateaus) Politik und Geselschaft lernen. Ich war eingeladen, am Peace Architecture Dialogue teilzunehmen. Das ist ein monatliches Forum, an dem Regierungsvertreter, Vertreter der Sicherheitsinstitutionen (Polizei und Militär) und Vertreter der Zivilgesellschaft teilnehmen und gemeinsam über Frieden und Sicherheit auf dem Plateau diskutieren, Arbeitsgruppen und Agenden entwickeln und diese hoffentlich auch umsetzen. Organisiert ist das ganze vom Staatssekretariat der Plateau-Regierung und Search for Common Ground, einer internationalen Ngo, die neben uns weitere Aspekte des EU- finanzierten Projektes in Plateau umsetzt. Das ganze fand in einem Gelände statt, wo mehrere Regierungsbehörden ansässig sind. Anfang des Jahres hatte ich ja schon einmal die Ehre, im neugebauten Regierungsgebäude des Governors eingeladen zu sein. Dort strotzte es nur so vor Luxus, Marmor, Säulen, riesige Büros mit noch riesigeren Fernsehern etc. Doch in diesem alten Regierungsgelände sah es komplett anders aus. Hier fiel der Putz von den Wänden, wenn man die wand nur scharf anschaute. Das sah eher nach dem aus, was ich vom öffentlichen Büros erwartet habe, wo Leute arbeiten, die seit Monaten keinen Lohn mehr bekommen haben. Das sah aber auch dann auch aus, als wenn der Governor und seine Regierungselite hier nicht so häufig herkommen, sondern lieber in ihrem Marmorpalast bleiben. Durch die Klimaanlagen in Büros, Autos und Flugzeugen hatte ich einen kratzigen Hals und müsste permanent Husten. Ich bekämpfte dies mit viel Wasser. Das führte leider zu dem Missgeschick, dass ich tierisch auf Klo musste. Ich sprach 5 Personen an (alles Mitarbeiter), bis ich jemanden fand, der mir zeigen könnte, wo das Klo ist. Es war abgeschlossen. Wir mussten 5 weitere Personen ansprechen, bis uns jemand sagen konnte, wer den Schlüssel hatte. Diese Person musste dann nur noch gefunden werden, was letztendlich gelang. Was allen angesprochenen Personen gemein war, sie schauten mich alle unglaubwürdig an und fragten “du willst hier auf Klo gehen???”. Jaja, ich müsse doch nur schnell Pipi. Das Klo war dann tatsächlich das hinter letzte, was ich je gesehen habe, wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr benutzt oder geputzt. Glücklicherweise war auch meine Nase verstopft. Ich frage mich nur, wo die Hunderten Staatsdiener ihr Geschäft verrichten…Aber ich habe mich ja schon häufig genug über Nigeria und seine Toiletten echauffiert.
Das Meeting an sich war sehr interessant. Geleitet wurde es von einem hochrangigen General. Anfangs war die Stimmung sehr gedrückt und ich war der einzige, der nicht wusste warum (ich war aber auch der einzige Oyibo oder Bature, wie man auf Hausa sagt). Mein freundlicher Sitznachbar klärte mich auf. An genau diesem Tag war GNS Pwajok gestorben. Das war der Kandidat, der bei den Governorswahlen in Plateau im April 2015 als glasklarer Favorit galt, dann aber knapp gegen Simon Lalong verlor und nun als Senator in Abuja arbeitete. Mit anderen Worten, eine wichtigsten politischen Persönlichkeiten in Plateau. Es wurde sogar diskutiert, ob das ganze Meeting abgesagt werden sollte. Es fand dann aber Statt und wurde auch recht schnell sehr lebhaft und interessant. Der Director of Press to the Governor (quasi der Regierungssprecher) kam unerwartet vorbei und stellte den 5 Punkte Plan der neuen Regierung vor, wie Frieden auf dem Plateau erreicht werden soll. Natürlich trat dieser sehr überzeugend und charismatisch auf, konnte sich sehr gewählt ausdrucken und erntete viel Beifall. Er müsste direkt nach seiner Präsentation weiter und das ermöglichte eine offene und ehrliche Auswertung seiner Rede. Der Konsenz ging dahin, dass Worte schön und gut sind, aber bisher überhaupt nichts von dem Gesagten umgesetzt ist, nicht mal im Ansatz. Diese offene Auswertung hat mich sehr überrascht und beeindruckt. Schnell ging es bei der Diskussion dann auch um die Rolle der Frauen in der Politik und Gesellschaft (mehr als die Hälfte der Anwesenden war weiblich). Diese Diskussion wurde dann sehr hitzig und aufgebracht, was unter anderem daran lag, dass der General, der das Ganze leitete, meinte, dass Frauen ihren Platz kennen sollten, der wäre nämlich zu Hause bei Hof und Kindern. Eine der anwesenden Mamas erklärte, dass sie sich vor der letzten Wahl aufstellen lassen wollte, um für einen Platz im lokalen Abgeordnetenhaus zu skandieren. Doch ihr Mann war dagegen. Sie meinte, dass sie zu jung sei, um sich scheiden zu lassen und die Kinder alleine großzuziehen, daher hörte sie auf ihn…
Am nächsten Tag fand dann der World Savings Day statt. Seit 80 Jahren wird dieser Tag weltweit am 31.10. gefeiert und dient als Promotionkampagne, dass man doch auch etwas sparen soll. Die Zentralbank, die großen Banken und auch die Mikrofinanzbanken veranstalten diverse Veranstaltungen und Kampagnen, um für’s Sparen zu werben. Natürlich unterstützt die GIZ diesen Tag in Nigeria, wo wir ja eng mit Mikrofinanzbanken zusammenarbeiten. Als Unterstützung und Promomaterial bekamen die Mikrofinanzbanken, die Aktivitäten geplant haben, T-Shirts, DVDs, Sparbüchsen, usw. von uns, welche dann alle als Preise auf den diversen Veranstaltungen vergeben wurden. In Jos fand anlässlich des World Savings Days noch eine besondere Veranstaltung statt. Die Zentralbank Nigerias (CBN) hat nämlich ein Programm mit dem Namen”School Mentoring Programme”, wo sie junge Schüler über finanzielle Allgemeinbildung aufklären. Und an diesem Tag kam die CBN nach Jos, an die Government Secondary School Hwolshe in Jos. Unterstützt wurde das ganze wieder von der GIZ, also musste auch ein GIZ-Representant vor Ort sein. Dafür kam natürlich NUR…icke in Frage. Beladen mit diversen Preisen und Geschenken für die (schlauen) Schüler (schließlich mussten sie ja Fragen beantworten) fuhren wir zur Schule. In Nigeria gibt es viele verschiedene Arten von Schulen. Die privaten Schulen, die manchmal super krass und teuer sind, manchmal allerdings auch das genaue Gegenteil, doch größtenteils sind sie ganz ok. Und es gibt die staatlichen Schulen, denen häufig Geld und Material an allen Ecken und Kanten fehlt. Die GS School Hwolshe bestand aus einigen flachen Gebäuden rund um einen staubigen Hof. Kein Spielplatz, keine Bäume für Schatten, kein Sportplatz oder sonstiger Luxus. Die Gebäude sahen schon etwas heruntergekommen aus. Auf den fensterlosen Fensterrahmen saßen Schüler, für diese gab es keine Stühle und Tische im Klassenraum. Die Klassenräume waren dunkel und dreckig. Unsere Veranstaltung fand in einem sehr großen Klassenraum statt, der ansonsten wohl auch als Aula benutzt wird. Der Raum war gefüllt mit ca. 150 Schülern im Alter von 10-15Jahren. Dahinter saßen Lehrer. CBN hatte eine Soundanlage, einen Beamer und eine Leinwand mitgebracht, wo wir “E go better” zeigten (zumindest den Beginn). Bei den lustigen Filmszenen lachten 150 Schüler wie aus einem Munde, das hörte sich gut an. Dann ging es los. Bei offizielen Veranstaltungen gibt es in Nigeria immer ein Protokoll, an das sich streng gehalten werden musste. So auch hier in der Schule. Eröffnet wurde alles mit einem Gebet vom Head Boy (sowas wie der Schulsprecher, es gibt auch ein Head Girl und jede Klasse hat noch ihre eigenen Klassensprecher, Head Boy und Girl dürfen beide weiße Kappen tragen, die sonstigen Klassensprecher tragen blaue Kappen, alle anderen nüschtz), dann wurde die Nationalhymne gesungen und der Nationalschwur geleistet.
Die stellvertretende Schuldirektorin gab eine Rede, und auch ich musste ein Rede halten, in der ich mal wieder mit meinen Hausakenntnissen die Lacher auf meiner Seite hatte (und auch den Applaus). Dann gab die Direktorin der Abteilung Consumer Protection der CBN ihre Präsentation zum Thema Sparen und finanzielle Allgemeinbildung zum Besten. Eine wirklich sehr gute interaktive Präsentation mit vielen Fragen an die Schüler, damit wir unsere ganzen mitgebrachten Preise loswerden konnten. Ich fand besonders die Redebeiträge der Schüler immer sehr interessant und teilweise sehr emotional. Vor dem Sprechen standen die Schüler von ihrem Platz auf. Von den 150 Schülern bekamen nicht mehr als 10 Schüler Taschengeld (um sich beispielsweise in der Schule Essen zu kaufen oder den Transport zu bezahlen). Auf Nachfrage, warum die Anderen kein Taschengeld bekommen antworteten mehrere Schüler, dass sich ihre Eltern das nicht leisten könnten. Das heißt, dass 140 SchülerInnen kein Geld haben, um sich etwas zu Essen zu kaufen oder den Transport zu bezahlen. Nigeria will zwar kostenloses Schulessen einführen, aber noch ist das nur ein politischer Plan. Essen muss in der Schule bezahlt werden und die meisten Schüler bleiben hungrig…Eine weitere Sache, die mich imponiert hat, waren die Berufswünsche der Schüler. Es war eigentlich alles dabei, Doktor, Ingenieur, Pharmazeutiker, Anwalt, etc.. Doch niemand wollte Präsident werden. Auf Nachfrage warum nicht, erklärte der Head Boy, dass man in Nigeria korrupt sein und sich mit korrupten Leuten umgeben muss, um Präsident zu werden und das wolle er nicht.
Am Ende der Präsentation haben alle Schüler (und auch ich) viel gelernt und fast alle einen Preis gewonnen. Trostpreise gab es für alle und zur großen Freude aller gab es für alle Jollof-reis und Softdrinks. Dann wurden noch Gruppenfotos gemacht und ein paar der mutigen Schülre haben mich noch angesprochen für Fotos. Die anwesenden TV-Sender haben Interviews gemacht. Achso, habe ich gar nicht erwähnt. Das Lokalfernsehen war da und hat gefilmt, u.a. auch meine Rede. Könnt ihr euch gerne ansehen, falls ihr NTA Plateau empfangt ;9. Und dann ging es auch schon weiter zur nächsten Veranstaltung. Als ich auf den Hof kam, hockte ein Junge im Sand in der brütenden Sonne und starrte auf ein Klassenzimmer. Ich fragte meinen Fahrer, was das soll und er erklärte mir, dass das eine Bestrafung ist, für z.B. den Unterricht stören oder für Zu-Spät-Kommen. Hammerhart.
Für uns ging es dann weiter zu einer World Savings Day Veranstaltung einer lokalen Mikrofinanzbank. Diese hatte auf einem Markt ein kleines Klassenzimmer aufgebaut, wo sich einige Händler und Marktkunden versammelt hatten und sich über Sparen aufklären ließen. Das meiste war auf Hausa und ich verstand nicht alles, aber natürlich musste ich als Bature auch eine Rede halten. Glücklicherweise hatte ich bei der CBN-Präsentation in der Schule gut aufgepasst und wiederholte einiges und erntete ehrfurchtsvolle Blicke der Anwesenden und auch tobenden Applaus. Wir mussten die Veranstaltung vorzeitig verlassen, dahre musste sie kurz unterbrochen werden, da mir die Meisten noch die Hand schütteln wollten…Alles in allem mag ich meinen Job ja sehr, auch wenn ich manchmal 10 Stunden lang vor dem Rechner im Büro hänge oder Zeit in endlosen Meetings absitze. Aber diese Tage außerhalb des Büros, sei es in Schulen, auf Märkten oder wo auch immer im Feld, das sind die Arbeitstage, die am meisten fetzen!