Im letzten Eintrag habe ich mich verabschiedet. Irgendwo ‘tschüssi’ zu sagen bedeutet irgendwo anders ‘hallo’ zu sagen. Also sage ich: “Hallo, Nigeria.” Da bin ich wieder. Nach 2013 und 2014 wird es nun mein dritter längerer Aufenthalt in diesem Land, dass man mit keinem anderen afrikanischen Land vergleichen kann. Ich war zwar Anfang des Jahres schon zweimal zu Kurzzeiteinsätzen hier, doch nun plane ich über ein Jahr hier zu bleiben, zu wohnen, zu arbeiten. Natürlich kann ich nicht so lange Zeit von meiner Familie getrennt bleiben, deshalb kommen meine Frau und mein kleiner Sonnenschein im Januar nach. Wir werden in einem netten Appartement im Stadtteil Asokoro wohnen. Ich werde nächste Woche schon einziehen und habe dann 4 Monate Zeit die Wohnung einzurichten. Doch dazu später mehr.
Wenn ich in den vergangenen Wochen gesagt habe, dass ich nach Nigeria ziehe, dann entstand häufig der folgende Dialog:
“Du/ ihr geht nach Nigeria? Für immer?”
Ich: “Nein, natürlich nicht. Das könnt ich nicht, will ich auch gar nicht. Nein, ich gehe für 1-1,5Jahre nach Nigeria zum Arbeiten.”
“Und was machst du dann dort?”
Ich: “Eigentlich das gleiche, wie schon im letzten Jahr.”
“Und was hast du letztes Jahr gemacht?”
Ich: “Ich arbeite für die GIZ.”
“Die GEZ? Was macht die denn in Nigeria?”
Ich: “Nein, nicht für die GEZ. Ich arbeite für die GIZ, die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, ein Bundesunternehmen, dass für einen großen Teil der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist.”
“Ach so”
Ich: “Ich arbeite dort als Projektkoordinator in einem EU (ko-)finanzierten Projekt (hier scheiden sich die Geister, die EU sagt, es ist nicht ko-finanziert, die GIZ sagt doch, aber das führt hier zu weit). Das Projekt heißt “Deepening Economic Development for Peace and Stability in Plateau State, Nigeria”. Wie der Projekttitel vermuten lässt, handelt es sich um ein Projekt zur Konfliktprävention/ Friedenssicherung durch nachhaltige Wirtschaftsförderung. Das ganze konzentriert sich auf den Bundesstaat Plateau. Dieser liegt im berüchtigt und berühmten Middle Belt, ca. 300 km nordöstlich von Abuja. Der Middle Belt und besonders der Bundesstaat Plateau sind berühmt und berüchtigt, da es sich hier um Schmelztigel ethnischer und religiöser Vielfalt handelt. Vor allem in Plateau State, wo sich der vorrangig muslimische Norden Nigerias und der vorrangig christliche Süden treffen, gab es in der Vergangenheit häufig gewalttätige, manchmal religös-motivierte, manchmal ethnisch-motivierte Auseinandersetzungen. Im Dezember 2010 und folgend nahm die Gewalt ganz besonders schreckliche Ausmaße an. Am 24.12.2010 gab es einen sehr blutigen Bombenanschlag durch die Terrorgruppe Jamā’at Ahl as-Sunnah lid-Da’wah wa’l-Jihād, die weltweit unter dem Namen Boko Haram (übersetzt ungefähr: westliche Bildung ist verboten) bekannt ist. Ziel war eine Kirche, wo sich die Menschen zum Weihnachtsgebet versammelt haben. Daraufhin sind christliche Jugendbanden marodierend durch Jos, die Hauptstadt von Plateau gezogen, mit dem Ziel die muslimisch bewohnten Viertel anzugreifen. Das Ganze endete in Tagen und Wochen von Gewalt und vielen Toten. In Plateau kam und kommt es immer noch zu Gewalt zwischen nomadischen Viehhirten (meist von der Fulani-Ethnie und meistens muslimisch) und sesshaften Bauern (meist von der Berom-Ethnie und meistens christlich). Auch dieser Konflikt wird häufig als religiös-motiviert bezeichnet, dabei geht es hierbei um etwas ganz anderes, nämlich u.a. uralte Landrechte. Insgesamt muss man sagen, dass es in Plateau und den umliegenden Bundesstaaten immer wieder zu Konflikten kommt und die Sicherheitslage allgemein angespannt ist. Einer der Hauptgründe dafür ist die hohe Armutsquote und Jugendarbeitslosigkeit. Und das ist wiederum der Punkt, wo unser Projekt ins Spiel kommt. Wie gesagt, geht es dabei um nachhaltige Wirtschaftsförderung und auch um die Schaffung von Beschäftigungen, um dadurch Konfliktpotential zu minimieren. Zielgruppen des Projektes sind Micro, small and medium enterprises, also Kleinst, Kleine und Mittlere Unternehmen. Die meisten sind dabei im informellen Sektor ansässig und haben 1-10 Mitarbeiter. Das Projekt besteht aus vier Säulen. 1. Finanzielle Inklusion, da die meisten kleinen Unternehmen oder angehende Unternehmer über den mangelnden Zugang zu Finanzmitteln klagen, da sie unzureichendes Wissen haben, wie finanziell zu haushalten ist, sie nicht wissen wie und wo zu an Finanzmittel (zB Mikrokredite) gelangen und andererseits ach die Mikrofinanzbanken nicht unbedingt einwandfrei funktionieren. 2. Das unternehmerische, wirtschaftliche Umfeld zu verbessern und zwar mit der Zusammenarbeit der lokalen Regierung auf Bundesstaat und kommunaler Ebene. 3. Unternehmen zu formalisieren und ihre Produktsstandards zu verbessern, so dass sie besser lokal, regional und international Handel betreiben können. 4. Wertschöüfungsketten zu fördern und da Plateau der Kartoffelstaat in Nigeria ist, geht es hierbei vor allem um die Kartoffel-wertschöpfungskette, aber auch um den Bausektor und andere alternative, Argrarprodukte. Das Projekt 10 Mitarbeiter, 9 lokale und mich als Koordinator des Ganzen. Meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass alle Aktivitäten wie geplant durchgeführt werden, dabei aber alle Regeln von GIZ und EU eingehalten werden, Koordination von den EU Aktivitäten mit den anderen GIZ Aktivitäten in Nigeria, ich bin für das Finanzmonitoring zuständig und der Ansprechpartner für die EU.”
“Oh das klingt ja interessant, wohnst du dann auch in Jos.”
Ich: “Im letzten Jahr habe ich tatsächlich in Jos gewohnt, aber Abuja ist ein besserer Standort was Versorgung etc. anbelangt und deshalb sitze ich in Abuja, da das mit Familie einfach besser ist. Ich muss aber häufig auf Dienstreise nach Jos fahren.”
“Ist das nicht gefährlich mit Familie nach Nigeria?”
Ich: “Wenn man sich an gewisse Dinge hält, dann ist es auch nicht gefährlicher als in anderen Ländern.”
“Na dann viel Spaß”
Ich: “Danke”