Feste feiern wie sie fallen, trotz aller Umstände

Beim Lesen des Titels des heutigen Blogeintrages wird schnell klar, dass es diesmal um etwas sehr Schönes geht, nämlich Partys, Feste, Feierlichkeiten. Dennoch muss auch unschönes berichtet werden, doch das heben wir uns für den Schluss auf. Erstmal zu den Feierlichkeiten.

Und davon gab es Einige in der vergangenen Woche. Am Donnerstag war hier schon wieder frei, wieder ein Feiertag. Diesmal aber kein religiöser sondern ein staatlicher Feiertag. Gefeiert wurde die Unabhängigkeit Nigerias und das zum 55ten Mal. Damals am 01.10.1960 wurde Nigeria von der vorherigen Kolonialmacht Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen. Nigeria bestand damals aus drei sehr großen Bundesstaaten dem Norden (Hausa dominiert) dem Südwesten (Yoruba dominiert) und dem Südosten (Igbo dominiert). Diese Dreiteilung der drei großen ethnischen Gruppierungen in Nigeria besteht bis heute und führt immer wieder zu Spannungen, da sich eine der drei Gruppierungen ausgeschlossen oder hintergangen fühlt. Im Jahr 1960 wurde Nnamdi Azikiwe, genannt Zik oder auch The Great Zik of Africa, erster Präsident des unabhängigen Nigerias. Er war ein Igbo aus dem Südosten und ein großartiger Intellektueller, der durch sein politisches Schaffen viel zur Unabhängigkeit beigetragen hat. Seine Rolle als erster Staatspräsident war allerdings eher eine zeremonielle Rolle. Regiert wurde das Land von Abubakar Tafawa Balewa, einem Hausa aus dem Norden. Er agierte als Ministerpräsident, übrigens der erste und einzige Ministerpräsident den Nigeria je hatte. In den ersten Jahren des jungen Landes, in den Jahren der ersten Republik, gab es viel Unruhe, Korruption, etc. (also so wie heute auch). Das führte zu einem sehr blutigen Militärputsch. Präsident Zik war gerade in London im Krankenhaus, als das Militär geführt von General Johnson Aguiyi-Ironsi, einem Igbo aus dem Südosten, die Macht im Land übernahm und zahlreiche ranghohe Politiker, wie u.a. auch Ministerpräsident Balewa, wurden getötet. Aguiyi-Ironsi wollte das Land von der föderalistischen Struktur zu einer zentralen Struktur umformieren. Die Hausa im Norden fürchteten, dass dies zu einer Dominanz der Igbos führe und so kam es nur ein halbes Jahr später zum Gegenputsch, bei dem Aguiyi-Ironsi getötet wurde. General Yakubu Gowon, ein Christ aus dem Norden, übernahm die Macht, machte aus drei Bundesstaaten 12 und beendete die erste Republik. Das interessante an dem ersten Militärputsch war, dass er eine Reihe von Militärputschs als Regierungsübernahmeform ausgelöst hat. Insgesamt gab es bis heute 14 Militärputsche. Nach dem Gegenputsch kam es zur Sezession des Südostens. Dort wurde der unabhängige Staat Biafra ausgerufen, der allerdings nur von 4 Staaten weltweit anerkannt wurde. Im Südosten befindet sich aber auch das in den frühen 60er Jahren entdeckte Erdöl und so kämpfte Nigeria gegen die Abspaltung an. 1967 bis 1970 kam es zum Biafra-Krieg bei dem mehr als eine Million Menschen starben. Nigeria gewann, Biafra wurde aufgelöst und der Südosten wieder an das Staatsgebiet Nigerias angegliedert. Vielleicht hat ja jemand „Half of a Yellow Sun“ von Chimamanda Ngozie Adichie als Buch gelesen oder als Film geschaut, da geht es um den Biafra-Krieg. 1998 brach die vierte Republik an, die bis heute andauert. Dazwischen ist noch sehr viel, teils sehr aufregendes passiert, aber das tue ich euch jetzt nicht alles an…

Ich habe den Feiertag zu Hause verbracht, um mich auf andere Festlichkeiten vorzubereiten. Am Freitag hat nämlich die Deutsche Botschaft in Abuja zu einem Empfang anlässlich des 25ten Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung eingeladen (der ja am Samstag war, falls ihr das verpasst haben solltet). Ich bin zusammen mit einem Consultant, der gerade im Land ist um für unser Plateau Projekt einen Film über Mikroversicherungen zu drehen, zur Botschaft gefahren. Wir waren etwas spät dran und als wir in die Nähe der Botschaft kamen, merkten wir, dass wohl viele Leute eingeladen waren. Die Straßen waren voll mit Autos, die am Seitenrand parkten. Die meisten Autos mit Diplomatennummernschildern. Polizisten und Militärs patrouillierten auf und ab. In der hinterletzten Ecke haben wir dann aber noch Platz zum Parken gefunden (ich brauche ja mit meinem kleinen Wagen nicht so viel Platz) und wir machten uns auf den Fußmarsch zur Botschaft. Diese war nochmal gesondert von Soldaten geschützt und wirkte auch sonst sehr sicher. Um die Botschaft gibt es nicht nur die typische drei Meter hohe Mauer, sondern auf der Mauer nochmal ein drei Meter hoher Zaun und da oben drauf dann erst der Stacheldraht. Die Botschaft selber ist auch riesig und hat noch einen viel riesigeren Garten, wo der Empfang stattfand. Die Botschaft ist auch schön gelegen und man hat einen wunderbaren Ausblick auf ein kleines Tal. Es war allerdings schon dunkel, daher vermute ich nur, dass der Ausblick wunderbar ist. Es waren ca. 500 Personen da und dazu nochmal ca. 100 Angestellte. Es waren wie schon vermutet viele Diplomaten aus anderen Botschaften da, viele Deutsche (es gibt ja ein „deutsches Dorf“ in Abuja, wo die Mitarbeiter von Julius Berger, einer deutschen Baufirma, wohnen) und natürlich die Botschaftsmitarbeiter, wie u.a. die Militärattachés in ihren, wie ich finde, hässlichen grau-braunen, Orden-behangenen Uniformen aus dem vorletzten Jahrhundert. Als wir kamen wurde der offizielle Teil (Reden verschiedener Würdenträger) gerade beendet. Es wurde noch die nigerianische und deutsche Nationalhymne gesungen und dann hat der Botschafter das Büffet eröffnet. Mit anderen Worten, wir kamen genau richtig. Zu essen gab es deutsches Essen, wie Bratwurst, Sauerbraten, verschiedene Aufläufe und natürlich Sauerkraut. Dazu gab es deutsches Bier vom Fass. Wahnsinn. Auf der Einladungskarte stand, dass der Empfang von 19 bis 21 Uhr geht. Um 1 Uhr habe ich die Botschaft dann verlassen und bin nach Hause gefahren, vorbei an den nächtlichen Polizeicheckpoints. Das war mein zweiter Botschaftsempfang (2013 war ich mal bei einem Empfang in der Schweizer Botschaft) und ich muss sagen, dass der Abend recht lustig und angenehm war und überhaupt nicht so steif wie die Outfits (Dresscode war angesagt) hätte vermuten lassen. Allerdings habe ich mir hinterher auch gedacht, dass das Ganze sicherlich 25000 Euro oder mehr gekostet hat. Die über 100 Angestellten in der Botschaft, die ganzen Sicherheitskräfte davor, das ganze Essen und Trinken, das bestimmt eingeflogen wurde, man man man. Wenn man sich dann überlegt, dass sicherlich alle deutschen Botschaften auf der Welt rund um den 3.10. eine Party in ähnlichem Umfang, manche größer, manche kleiner, veranstaltet haben, da kommt man dann schon auf eine Million Euro mindestens. Und wer zahlt das Ganze??? Aber ich, der ja aus Steuergeldern sein Gehalt bezieht, bin lieber ruhig…

Am Samstag ging die wilde Feierei dann auch schon weiter. Ich war eingeladen zu einer Geburtstagsparty. Angel Bauernfeind ist ein Jahr alt geworden. Wenn ich schon nicht bei der ersten Geburtstagsfete von meinem eigenen Sohn dabei bin, dann kann ich wenigstens hier ordentlich feiern. Auch wenn ich glaube, dass sich Jontis und Angels Party leicht unterschieden haben. Die Party fand auf der berühmt berüchtigten Dachterrasse statt, also im Haus nebenan. 12 Uhr sollte es losgehen. Kurz nach 12 ging dann zumindest schon einmal die Musik los. Von meinem Balkon konnte ich beobachten, wie Boxentürme aufgestellt wurden und dann ging es los.

Unglaublich wie laut das war und es blieb die gesamt Zeit bei dieser Lautstärke…Ich hatte gelernt, dass man zu einer Kindergeburtstagsparty nicht zu spät kommt, daher war ich 12.30Uhr schon auf der Dachterrasse. Doch ich war einer der ersten Gäste. Das Geburtstagskind kam erst zwei Stunden später. Insgesamt waren ca. 100 Menschen da. Viele Kinder, auch von den internationalen und nationalen Kollegen. Ein DJ spielte Musik (ich zwischendurch auch mal für eine halbe Stunde ;)). Das war nicht etwas Kindermusik, sondern die ganz normale Naijamusik, die man auch im Club hört, häufig mit nicht-jugendfreien Texten. Doch das störte niemand, im Gegenteil, man konnte sich zwar nicht unterhalten doch man konnte tanzen. Nach dem obligatorischen Eröffnungsgebet durch einen Pastor („I declare this Party as blessed.“) moderierte ein MC ein wenig durch den Tag, es gab Tanzwettbewerbe für Kinder, Tanzwettbewerbe für Erwachsene, Reden der Eltern, feierlich wurde der Kuchen angeschnitten, einen Toast durch die bei der Geburt anwesende Ärztin, ein nigerianisches Büffet und und und. Insgesamt, trotz des Faktors, dass wirklich kein Gespräch aufgrund der Lautstärke möglich war, die aber vor allem die anwesenden Babys und Kinder fast gar nicht gestört hat, eine sehr ausgelassene Stimmung. Ich dachte mir, wenn ich schon einer der ersten Gäste bin, dann kann ich auch einer der letzten Gäste sein. Die Sonne war schon längst untergegangen, die meisten anderen Gäste und das Geburtstagskind schon längst zu Hause, als ich dann doch mal von der Dachterrasse rüber in meine Wohnung getorkelt bin. Es gab ganz schön viel Wein und Bier dafür, dass es eine Geburtstagsparty von einer Einjährigen war. Nächste Woche Freitag geht es dann weiter. Da feiert der Chef Geburtstag, natürlich auf der Dachterrasse. Ich soll Musik spielen. Er mag nigerianische Musik (kein Problem) und Rock-musik wie Deep Purple, AC/DC und so (Hilfe).

Geburtstagskuchen
Geburtstagskuchen
DJ , play a Patroanking for me
DJ , play a Patoranking for me
Tanzwettbewerbe
Tanzwettbewerbe
Feierliches Anschneiden
Feierliches Anschneiden
View from the rooftop over Asokoro
View from the rooftop over Asokoro
Blick von der Dachterasse über Asokoro
Blick von der Dachterasse über Asokoro
Alle Ladys tanzen
Alle Ladys tanzen
Das Geburtstagskind ist müde
Das Geburtstagskind ist müde

Jetzt habe ich so viel über ausgelassene Feierlichkeiten geschrieben. Es wäre sehr schön, es dabei zu belassen. Ich habe auch überlegt, dass zu tun. Aber es gibt auch Unschönes zu berichten und ich dachte mir, bevor ihr es aus den Medien erfahrt, schreibe ich doch lieber auch etwas dazu. Freitagnacht, wir waren gerade beim Empfang in der deutschen Botschaft, sind in Abuja vier Bomben hochgegangen. Getroffen hat es zwei Vororte von Abuja, wo die meisten nigerianischen Menschen wohnen, die in der Innenstadt von Abuja arbeiten, u.a. auch viele unserer Kollegen. Eine Bombe zielte auf ein Polizeirevier in Kuje, wahrscheinlich weil im Gefängnis in Kuje viele Boko Haram Kämpfer einsitzen. Eine Bombe zielte auf einen Nachtmarkt in Kuje und zwei weitere auf den Bushof in Nyanya, das schon 2014 Ziel eines schweren Anschlages war und auf dem Weg nach Jos liegt. Insgesamt wurden diesmal 18 Menschen getötet, darunter die vier Selbstmordattentäter, ein Mann und drei Frauen. Diese Attentate passierten nun zu einer Zeit, wo die hiesigen Medien voll sind mit Berichten, wie Boko Haram immer weiter zurück geschlagen wird und immer mehr Kämpfer verhaftet werden. Die letzten Attentate in Abuja sind schon über ein Jahr (Doppelattentat in Nyanya im April 2014 und Attentat in Wuse im Juli 2014) her. Die Sicherheitslage galt eigentlich als entspannt und viele Check Points, die ja eigentlich nichts als Verkehrschaos gebracht haben, wurden abgeschafft. Die jetzigen Attentate sieht man hier so, als ob Boko Haram damit ausdrücken möchte, dass selbst wenn sie immer weiter verdrängt werden, sie immer noch die Macht haben auch Attentäter nach Abuja (wenn auch „nur“ die Vororte) zu schicken. Die lokalen Bewohner hier befürchten, dass wenn schon vier Bomben fast zeitgleich hochgehen, dass dann vielleicht noch mehr Attentäter nach Abuja geschickt wurden. Als direkte Maßnahme wurden alle oben erwähnten Check Points wieder in Betrieb genommen und die Militär und Polizeipräsenz in und um Abuja deutlich erhöht. Auf meinem Weg in den Supermarkt am Samstag bin ich direkt in zwei Militärcheckpoints geraten. Die GIZ internen Sicherheitsmechanismen werden sicherlich auch wieder verschärft. Was auch immer kommt, ich passe auf mich auf. Versprochen.

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